Zů ſchyff Zů ſchyff brůðer. Eß gat / eß gat – Narragonien-Workshop an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg

[a little out of the ordinary, this bloggage is in German]

Am 24. Juli war ich zum Expertengespräch und Workshop im neuen Digitalisierungs- und Editionsprojekt Narragonien digital der Universität Würzburg, welches im Rahmen des Würzburger Digitalisierungszentrums Kallimachos gefördert wird, eingeladen. Anlass war eine erste Orientierung sowie Sondierungs- und Konsultationsgespräche in Vorbereitung der Digitalisierung und editorischen Bearbeitung der für das Projekt ausgewählten Narrenschiff-Drucke. Gemeinsam mit zwei weiteren externen Kollegen (aus der Latinistik und der Romanistik) fand der Workshop im kleinen Kreis mit den Projektleitern und -mitarbeitern in informellem Austausch statt. 2009–2011 hatte ich mich bereits umfänglich mit der sog. editio princeps (Basel 1494) des Narrenschiffs von Sebastian Brant unter druckanalytisch-medienhistorischen Gesichtspunkten sowie programmatisch zu einer Neuedition im und für das digitale Medium geäussert, und es war schön zu sehen, dass in einem so groß aufgestellten Projekt wie Narragonien digital meine Überlegungen zur Wahl der Editionsgrundlage, zur Transgraphierung und zu den editorischen Beigaben Eingang finden werden (vgl. hierzu: A.R.: Sebastian Brants »Narrenschiff«Kritische Würdigung vorliegender Editionen und prinzipielle Überlegungen zu einer Neu-Edition. In: editio 25 (2011), p. 42–73).

Narragonien digital fokussiert vor allem auch die Übersetzungen, Übertragungen und Bearbeitungen des Narrenschiffs um 1500 (in verschiedene deutsche Druckersprachen, aber auch ins Lateinische, Französische, Englische), die bisher von der Forschung eher vernachlässigt worden sind und auch keine editorische Aufbereitung erfahren haben. Darüber hinaus versucht das ambitionierte Projekt, eine OCR (optical character recognition) für Frühdrucktypographie zu trainieren, die zuverlässig Drucke der in Frage kommenden Offizinen, in Antiqua- und gebrochenen Schriften, erkennen – und die Texte damit auch maschinenlesbar zugänglich machen – kann. Eine funktionierende und in ihren Resultaten zufrieden stellende OCR für gebrochene Schriften (der Frühdruckzeit) ist seit langem ein Desiderat und es bleibt zu hoffen, dass im Rahmen des Würzburger Projekts hier signifikante Fortschritte gemacht werden, von denen die community der Frühneuzeitforscher und -editoren – auch und vor allem in kleinen und Kleinstprojekten – wird profitieren können.

Meine Beschäftigung mit dem Narrenschiff war und ist zunächst druck- und buchgeschichtlich, genauer: typographiegeschichtlich. Vor diesem Hintergrund würde ich mir vor allem wünschen, dass die OCR nicht “nur” den Text möglichst fehlerfrei erkennen kann, sondern auch die jeweiligen Schriftklassen: für eine computergestützte Analyse der Typenverteilung im Narrenschiff-Erstdruck wäre dies enorm hilfreich und könnte wesentlich dazu beitragen, den Satz und die Korrekturfolgen der editio princeps für alle Bogenseiten zu rekonstruieren (mir war dies im Rahmen meiner Studie nur für die Lage E möglich). Die Buch- und Druckforschung, insbesondere die Inkunabelkunde, könnte hier in der Breite neue Erkenntnisse zur Frühdruckzeit gewinnen und gesicherte(re) Schlüsse aus dem überlieferten Material auf dessen Herstellung sowie die Verbreitung und den Handel mit Drucktypen ziehen!

Nach dem Workshop und den vielen intensiven Gesprächen plane ich, meine Arbeiten an der causa Narrenschiff-Erstdruck in naher Zukunft wieder auf zu nehmen und stelle diese gerne dem Narragonien-Projekt als Addendum der digitalen Edition sowie zur Weiterarbeit zur Verfügung.